Rückblick auf den runden Tisch "Politik der frühen Kindheit in der Ostschweiz" in St. Gallen

Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, wie Chancengerechtigkeit für alle Kinder und die dafür nötigen, qualitativ guten und bedarfsgerechten Angebote für die Familien zur Verfügung gestellt werden können. Markus Buschor, Stadtrat und Vorsteher der Direktion für Bildung und Freizeit der Stadt St. Gallen, brachte diese Herausforderung in seinem Grusswort auf den Punkt: "Alle Kinder brauchen gute Startchancen (...) Die Frage ist, Wie machen wir die Dörfer und Städte fit für die Vielfalt unserer Kinder?".

In den darauffolgenden Fachreferaten zeigten Roger Zahner (Abteilung Kinder und Jugend, Kt. St. Gallen) und Jasmin Gonzenbach-Katz (Fachstelle für Kinder-, Jugend- und Familienfragen, Kt. Thurgau) auf, mit welcher Strategie die beiden Ostschweizer Kantone dies angehen. Sie unterstrichen, wie wichtig die gute Vernetzung aller Akteure und Akteurinnen aus den Bereichen Gesundheit, Soziales und Bildung ist, damit bedarfsgerechte Angebote der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung bereitgestellt werden können, welche allen Kinder und Familien zur Verfügung stehen. Der anfänglich hohe Koordinationsaufwand lohnte sich, damit die kantonale Strategie für Angebote der frühen Kindheit nachhaltig umgesetzt werden kann: So trug zum Beispiel im Kanton Thurgau der partizipative Prozess zur Ausarbeitung der kantonalen Strategie entscheidend zur Vernetzung und Sensibilisierung der Behörden und Dachorganisationen bei.

In Bezug auf die Angebote machten beide Kantone gute Erfahrungen mit einer Kombination von niederschwelligen und für alle Familien zugänglichen Strukturen, sowie Angebote, welche vulnerable Familien und Kinder spezifisch unterstützen. Es wurden dabei auch die Frage in den Raum gestellt, welche Massnahmen effektiv bei den Kindern ankommen. Besonders hoben die Referierenden Familienzentren und aufsuchenden Angebote für sozial benachteiligte Familien als Ergänzung hervor, um den Zugang von allen Kindern zur frühen Förderung zu verbessern.

Das Thema "Qualität in der Frühen Förderung und Betreuung ist in aller Munde – aber "Welche Qualität wollen wir?". Diese Frage ging Janine Rüdisüli (Zentrum Frühe Bildung, Pädagogische Hochschule St. Gallen) in ihrem Referat nach und legte dar, wie wichtig es ist, sich mit der Qualität der Frühen Förderung und Betreuung auseinanderzusetzen. Diverse Faktoren prägen die Qualität von Angeboten der frühen Kindheit: z.B. die Interaktion zwischen Fachperson und Kind, die Rahmenbedingungen (Betreuungsschlüssel, Ausbildungsniveau der Fachkräfte etc.) und die pädagogischen Grundhaltungen des Personals. Janine Rüdisüli zeigte auf, wie Eltern, Fachpersonen und Behörden oft nicht dasselbe Qualitätsverständnis haben, obwohl dies zentral für die Wahl von geeigneten Angeboten und Massnahmen wäre.

Vor allem, sollen bei all diesen Überlegungen die Bedürfnisse des einzelnen Kindes im Zentrum stehen, weshalb es wichtig ist, in der Diskussion rund um die Qualität in der frühkindlichen Förderung und Betreuung ein besonderes Augenmerk auf die Interaktionsqualität zwischen den Fachpersonen, Kindern und Familie zu legen.

Im Rahmen der anschliessenden Podiumsdiskussion reflektierten die Referierenden zusammen mit Claudia Taverna (Vorstand Netzwerk Kinderbetreuung / Stadt Rapperswil-Jona), Katrin Serries (kibesuisse) und dem Publikum die Herausforderungen der Politik der frühen Kindheit in der Ostschweiz. Unter anderem, drehte sich die Diskussion darum, wie alle Kinder und insbesondere diejenigen aus sozial benachteiligten Familien mit Angeboten erreicht werden können, sowie um die Mittel und den politischen Willen, die Strategien der frühen Kindheit nachhaltig umzusetzen.

Beim Zugang zu den Angeboten wurde in der Diskussion eine klare Stadt-Land-Diskrepanz hervorgehoben. Während in den Städten vielfältige Angebote entstanden sind in den letzten Jahren, zeichnet sich in ländlichen und kleinen Gemeinden ein anderes Bild. Dabei scheint die Finanzierung ein häufiger Stolperstein zu sein. Die Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit, damit kleinere Gemeinden Angebote gemeinsam bereitstellen können, wurde hier als Lösungsansatz hervorgehoben. Zusätzlich müssen vielerorts Fachpersonen und Familien noch weiter in Kenntnis von bestehenden Angeboten gesetzt werden, um deren Nutzen zu fördern.

Eine weitere Herausforderung bleibt auch in der Ostschweiz das politische Committment für umfassende Investitionen in den Frühbereich. Auch wenn heute gesetzliche kantonale Grundlagen vorliegen, bleiben diese häufig symbolischer Natur, wenn der politische Wille zur Umsetzung fehlt. Die Finanzhilfen des Bundes für die Gemeinden hat auch in der Ostschweiz zu vielen positiven Entwicklungen in Massnahmen und Angeboten der frühen Kindheit beigetragen. Allerdings stellt sich vielerorts die Frage, wie diese über eine bestimmte politische Legislaturperiode hinaus nachhaltig verankert werden können.

Zum Schluss formulierte das Podium folgende Empfehlungen und Wünsche an die Politik:

  • Ein Fokus auf die Bedürfnisse des Kindes und auf die Qualität bei der Ausarbeitung von Massnahmen und Angeboten;
  • Unterstützung der Eltern in ihrer Schlüsselrolle mit Angeboten der Frühen Förderung, welche zu ihren individuellen Bedürfnissen passen;
  • Flächendeckende kommunale Vernetzung aller Akteure und Akteurinnen der frühen Kindheit, insbesondere ein Zusammenspannen der Fachorganisationen, Ausbildungsstätten und der Forschung;
  • Klare Zielformulierung für die frühe Förderung und darum die Erarbeitung von Strategien auf Ebene der Gemeinden und Kantonen, welche insbesondere durch eine nationale Strategie auf Bundesebene gestützt werden sollten;
  • Verankerung von Angeboten der Frühen Förderung in die Regelstrukturen in den Städten und Gemeinden, um ihre nachhaltige Finanzierung zu sichern;
  • Mehr Sensibilisierung und Mut von Politikerinnen und Politikern zum Thema der Frühen Förderung und Betreuung, damit sie sich für diese wichtige Lebensphase einsetzen.

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