Politik der frühen Kindheit im Parlament: Vorschau auf die Sommersession 2020

Im Nationalrat steht die Debatte der parlamentarischen Initiative 17.412 von Nationalrat Matthias Aebischer «Chancengerechtigkeit vor dem Kindergartenalter» im Zentrum. Die Initiative verlangt, die Zielgruppe von Kindern im Alter von 0 bis 4 Jahren in das bestehende Bundesgesetz über die Förderung der ausserschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendförderungsgesetz, KJFG) aufzunehmen. Die Kommission war der Initiative zuerst wohlgesinnt, jedoch gab es auch kritische Stimmen. Insbesondere bestand Unklarheit, welche Angebote im Vorschulbereich über das Kinder- und Jugendförderungsgesetz gefördert werden könnten. Ferner war nicht geregelt, ob die finanziellen Mittel des heute auf rund 10 Millionen Franken beschränkten KJFG-Fördertopfs ausgeweitet würden oder ob letztlich nur die Anzahl anspruchsberechtigter Akteur*innen – nicht jedoch das zur Verfügung stehende Geld – zunehmen würde (vgl. Stellungnahme Netzwerk Kinderbetreuung). Vor diesem Hintergrund lehnte die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-NR) im Februar 2019 die Initiative knapp ab. Bereits im April 2019 wurde dieser Entscheid revidiert und die WBK-NR sprach sich für eine Umsetzung aus. Die Kommission schlägt nun die Realisierung einer Minimalvariante vor, in dem der Bund die Kantone mittels befristeten Anschubfinanzierungen im Bereich der frühkindlichen Förderung unterstützt. Diese Leistungen sind sowohl hinsichtlich Dauer und Bezug eingeschränkt: Innerhalb von 10 Jahren können pro Jahr maximal vier Kantone Finanzhilfen in der Höhe von CHF 100'000 während drei Jahren beziehen. Der Nationalrat äussert sich zum ersten Mal zur Vorlage.

Im Bereich Gesundheit wird sich der der Nationalrat mit drei weiteren Vorstössen beschäftigen, die die frühe Kindheit betreffen: Einerseits wird mit dem Postulat 19.3554 «Werbung und Adipositas. Wie effizient sind die Selbstregulierungsmassnahmen?» von Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle vom Bundesrat einen Bericht zur Wirksamkeit der selbstregulatorischen Massnahmen verlangt, um zu prüfen, ob Kinder und Jugendliche dank der Massnahmen weniger der Werbung für Lebensmittel mit zu hohem Zucker- und Fettgehalt ausgesetzt sind. Andererseits fordert Nationalrat Angelo Barrile mit seiner Motion 19.429 «Medizinische Leistungen für alle Kinder!», dass für Kinder und minderjährige Personen der Zugang zu medizinischen Leistungen gewährleistet bleibt, auch wenn ihre Eltern der Zahlungspflicht der Krankenkassenprämien nicht nachkommen. Der Bundesrat empfiehlt beide Vorstösse zur Annahme.

Weiter wird sich der Nationalrat erstmals mit der Gesetzesvorlage zur Einführung einer Adoptionsentschädigung für die Adoption von Kindern bis zu vier Jahren befassen. Diese geht zurück auf die parlamentarische Initiative 13.478 von Marco Romano. Schliesslich wird sich der Nationalrat mit dem Postulat 18.3103 «Kindergutschrift statt Kinderabzug bei den Steuern» von Nationalrätin Nadine Masshardt befassen, dass den Bundesrat auffordert, in einem Bericht darzustellen, wie das heutige System mit steuerlichen Abzugsmöglichkeiten (Kinderabzüge) durch ein Kindergutschrift-System ersetzt werden könnte. Ziel ist, dass jede Familie, unabhängig von Lebensform und Einkommen, für jedes Kind eine Gutschrift erhält. Im Gegenzug sollen die heute geltenden Kinderabzüge gestrichen werden. Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Vorlage.

Der Ständerat wird während dieser Session keine Geschäfte behandeln, die die frühe Kindheit direkt betreffen.

Neben dem Hauptprogramm wird in den Räten am Schluss der Session eine Reihe von Vorstössen im beschleunigten Verfahren behandelt. Über die wichtigsten Geschäfte daraus werden wir in der Sessionsrückschau berichten.

Die Sessionsprogramme und Tagesordnungen der eidgenössischen Räte können noch Änderungen erfahren.

Übersicht der Geschäfte in der Sommersession 2020, welche die Politik der frühen Kindheit betreffen: