Positionspapier EKKJ: Das Recht des Kindes auf eine Erziehung ohne Gewalt

Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor jeglicher Form von Gewalt in der Erziehung, so ist es im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes verankert, welches die Schweiz unterzeichnet hat. Zum Vorkommen von Gewalt an Kindern in der Familie gab es in der Schweiz lange Zeit jedoch nur wenige wissenschaftliche Befunde. Drei neuere Studien, die die EKKJ als Grundlage für ihr Positionspapier analysiert hat, zeichnen nun ein präziseres Bild sowohl bezüglich Vorkommen wie auch Formen von Gewalt.

Gewalt in der Erziehung findet immer noch häufig Anwendung, aber oft nicht bewusst
Wie eine neuere Elternbefragung zeigt, hat sich der Anteil der Eltern, die angeben häufig oder regelmässig Gewalt in der Erziehung anzuwenden, stark verringert. Dennoch geben rund die Hälfte der befragten Eltern an, körperliche Gewalt in der Erziehung zu benutzen. Auch psychische Formen von Gewalt kommen häufig vor: zwei Drittel der Eltern geben an, psychische Gewalt anzuwenden, jeder vierte Elternteil tut dies sogar regelmässig. Aus der Elternbefragung der Universität Freiburg aus dem Jahr 2017 geht weiter hervor, dass körperliche Gewalt besonders häufig bei kleinen Kindern zwischen 0 und 6 Jahren vorkommt: Jedes 11. Kind dieser Altersgruppe ist davon betroffen.

Die meisten Eltern wenden Gewalt in Situationen an, in denen sie überfordert sind und daher die Kontrolle verlieren. Heute bekennen sich viel weniger Eltern als bei früheren Befragungen dazu, Gewalt bewusst als Erziehungsmittel anzuwenden. Auch sind sich die meisten Eltern im Klaren, dass schwere Formen von Gewalt verboten sind. Was genau als Gewalt gilt, wird von Eltern jedoch laut Befragung unterschiedlich bewertet. Entsprechend werden auch die Folgen von Gewalt unterschiedlich wahrgenommen. Jeder vierte Elternteil nimmt an, dass Schläge auf den Hintern und Ohrfeigen als Ausnahme erlaubt sind.

Empfehlungen der EKKJ: Fachpersonen im Frühbereich haben wichtige Rolle in der Prävention und Information
Um Kinder besser vor Gewalt in der Familie zu schützen und so das Recht jedes Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung zu gewährleisten, empfiehlt die EKKJ folgende konkrete Massnahmen:

Gesetzesänderung
Eine klare gesetzliche Norm im ZGB, die das Recht des Kindes auf ein Aufwachsen ohne Gewalt vorgibt und die Abschaffung des Züchtigungsrechts eindeutig bestätigt.

Prävention und Information
Da vor allem kleine Kinder von Gewalt betroffen sind und sie sich nicht selber wehren können, ist eine frühe Information für Eltern, idealerweise schon für werdende Eltern, wichtig. Die Vermittlung von Wissen über die Entwicklungsphasen des Kleinkindes und deren Bedeutung bildet eine wichtige Grundlage der Prävention von Gewalt. Als Beispiele sei hier die Trotzphase genannt. Informationen über Formen und Folgen von Gewalt sowie über alternative Handlungsweisen sollen von Fachpersonen (Hebammen, Fachpersonen der Mütter- und Väterberatung, usw.), die die (werdenden) Eltern begleiten und beraten, thematisiert werden. Auch die einschlägigen online-Informationskanäle oder Elternbildungsangebote sollen dafür breiter genutzt werden.

Früherkennung von Gewalt oder Gefährdung
Fachpersonen, die mit Familien und Kindern zu tun haben, sollen sensibilisiert und geschult werden sowohl in der Früherkennung von Gewalt an Kindern, über Risiko- und Schutzfaktoren als auch über die zu ergreifenden Massnahmen.

Beratungs- und Hilfsangebote
Angebote müssen für alle Eltern und Kinder zugänglich sein. Es darf nicht vom Wohnort abhängig sein, ob ein Kind und Eltern die notwendige Unterstützung erhalten.

Monitoringsmassnahmen
Bund und Kantone sollen dafür sorgen, dass Daten zu Kindeswohlgefährdung so erhoben werden können, dass ein Monitoring und damit laufende Verbesserungen im Hilfesystem möglich sind.

Vollständige Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte des Kindes
Der Bundesrat und das Parlament sollen sich klar gegen Gewalt in der Erziehung positionieren, dem Züchtigungsrecht eine klare Absage erteilen und eine Anpassung oder Ergänzung des Gesetzes nochmals erwägen.

Positionspapier der EKKJ (2019): «Das Recht des Kindes auf eine Erziehung ohne Gewalt»