Vorstösse aus den Kantonen zu Themen der Familienpolitik, frühen Kindheit und Kinderbetreuung

Chancengerechtigkeit:

Kanton Aargau: Eine Anfang März überparteilich eingereichte Interpellation verlangt vom Regierungsrat Antworten auf verschiedene Fragen betreffend die Bildungsgerechtigkeit im Kanton. Die Interpellanten weisen auf den Bericht "Soziale Selektivität" des Schweizerischen Wissenschaftsrates hin, der die soziale Ungleichheit der Bildungschancen in der Schweiz aufzeigt und daraus Handlungsbedarf im Bereich der frühkindlichen Förderung ableitet. Der Regierungsrat wird u.a. gefragt, wie es um die Umsetzung des kantonalen Konzepts "Frühe Förderung" steht, ob der Kanton Investitionen in die frühe Sprachförderung plant und ob generell Massnahmen zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit im Kanton Aargau vorgesehen sind. Die Antwort des Regierungsrats ist noch ausstehend.

Kanton Zürich: Ein zentraler Hinderungsfaktor für Chancengerechtigkeit ist Kinderarmut, denn Armutsbetroffenen bleiben von Anfang viele Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe verwehrt. Mit dem Postulat "Bekämpfung von Kinderarmut im Kanton Zürich" fordern drei Kantonsräte und –rätinnen der SP, GLP und CVP den Regierungsrat daher auf, die Ursachen von Kinderarmut im Kanton aufzuzeigen und spezifische Massnahmen dagegen vorzuschlagen.

Finanzielle Entlastung von Familien

Kanton Basel-Landschaft: Um die Bekämpfung von Armut geht es auch bei verschiedenen kantonalen Vorstössen, welche die Einführung von Familien-Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien fordern, so z.B. in Basel-Land die Motion "Sozial gestalten: Kinder sind unsere Zukunft und dürfen keine Armutsfalle sein" der Landrätin Bianca Maag-Streit (SP) oder die bereits 2017 eingereichte Initiative "Ergänzungsleistungen für Familien mit geringen Einkommen". Letztere lehnte der Regierungsrat Ende 2018 ab mit der Begründung, es müsse erst noch die Fertigstellung der kantonalen Armutsstrategie abgewartet werden.

Kanton Basel-Stadt: Im Stadtkanton reichte der Grossrat Oliver Bolliger (Grüne) die Anfrage "Einführung von Ergänzungsleistungen für Familien (FamEL)" ein. Er verweist darauf, dass sich Familien-Ergänzungsleistungen als Instrument der Armutsprävention und Alternative zur Sozialhilfe schon in anderen Kantonen wie Waadt und Tessin bewährt haben. Der Regierungsrat wird u.a. angefragt, wie ein entsprechendes Modell der Familien-Ergänzungsleistungen auch im Kanton Basel-Stadt umgesetzt werden könnte und inwiefern Familien davon profitieren würden. Die Antwort der Regierung ist noch ausstehend.

Kanton Waadt: In der Waadt bittet die Grossrätin Claire Attinger Doepper mit dem Postulat "Aides à la famille: pour une centralisation des aides financières" die Kantonsbehörden um eine administrative Vereinfachung der verschiedenen Unterstützungsleistungen für Familien: Für verschiedene finanzielle Leistungen an Familien, wie Familien- und Kinderzulagen oder Familien-Ergänzungsleistungen, sind heute innerhalb der Verwaltung verschiedene Stellen zuständig. Um den Zugang der Familien zu den Leistungen zu gewährleisten und die Komplexität zu reduzieren, solle der Regierungsrat Möglichkeiten zur Koordination der verschiedenen Leistungen unter einem Dach prüfen.

Kanton Uri: 2017 reichte SP-Landrat Adriano Prandi die Motion "Günstigere familienexterne Betreuung von Kindern auch in Uri" ein. Er fordert, dass der Regierungsrat zusammen mit den Gemeinden Grundlagen schafft, um die familienexternen Betreuungskosten für Kinder deutlich zu senken. Anfang 2019 nahm die Urner Regierung dazu Stellung. In seiner Antwort bejaht der Regierungsrat den Handlungsbedarf bei diesem Thema. Heute beteiligen sich die Urner Gemeinden mittels einkommensabhängigen Betreuungsgutscheinen an den Kosten und der Kanton unterstützt die Anbieter finanziell. Jedoch sei der Zugang zu Betreuungsgutscheinen für die Eltern nicht in allen Gemeinden gleich gewährleistet; der Kanton möchte daher zusammen mit den Gemeinden die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen.

Kanton Thurgau: Im Thurgau wurde im Herbst 2018 von Vertretenden verschiedener Parteien die Motion "Vereinbarkeit von Familie und Beruf – notwendiger Handlungsbedarf im Kanton Thurgau" eingereicht. Der Regierungsrat wird damit beauftragt, das Gesetz über die Staats- und Gemeindesteuern so anzupassen, dass die möglichen Abzüge für Kosten der familienergänzenden Kinderbetreuung von 4'000.- auf 10'100.- Franken erhöht werden. Die Motionäre verweisen darauf, dass der Kanton Thurgau heute von allen Kantonen den zweitletzten Platz belegt betreffend die Höhe dieser Steuerabzugsart. Der Regierungsrat begrüsst die Motion in seiner Stellungnahme.

Qualität in der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung:

Kanton Bern: Im Kanton Bern reichten Ende 2018 SP-Grossrätin Kornelia Hässig Vinzens und die grüne Grossrätin Anna-Magdalena Linder zusammen mit 27 Mitunterzeichnenden aus verschiedenen Fraktionen die Motion "Betreuungsqualität der familien- und schulergänzenden Einrichtungen sichern" ein. Der Regierungsrat solle sicherstellen, dass in Einrichtungen der Kinderbetreuung ein minimaler Anteil an Fachpersonen mit einem Tertiärabschluss (z. B. Kindererzieherin HF) eingestellt werden und zudem mindestens 60 Prozent der Angestellten über einen entsprechenden Berufsabschluss (FaBe-K) oder Tertiärabschluss verfügen. Zudem sollen die Einrichtungen auch für Studierende der Tertiärstufe eine Ausbildungsentschädigung erhalten. Die Motionärinnen weisen darauf hin, dass professionelle Fachpersonen massgeblich zur Betreuungsqualität beitragen. Der Kanton Bern stehe diesbezüglich nicht sonderlich gut da: Nur rund die Hälfte des Personals in institutionellen Betreuungsangeboten (Kitas, Tagesschulen) habe einen Berufsabschluss oder eine Tertiärausbildung und nur wenige Prozent verfügen über eine Tertiärausbildung, z.B. als Kindererzieher/-in HF oder Lehrperson. Im Kanton Bern ist auch für Fachpersonen in Leitungspositionen keine einschlägige Tertiärausbildung notwendig und Einrichtungen erhalten vom Kanton bisher nur für FaBe-K Ausbildungsplätze eine pauschale Ausbildungsentschädigung, jedoch nicht für Studierende der Kindererziehung HF. Die Antwort des Regierungsrates zu dieser Motion ist noch ausstehend.

Elternzeit und Vaterschaftsurlaub

Kanton Schwyz: Im März reichte Kantonsrat Leo Camenzind (SP) die Anfrage "Elternzeit – weil sie sich lohnt!" ein. Darin verweist er auf die diversen Argumente, die für die Einführung einer Elternzeit sprechen – aus Sicht der Kinder, der Väter und Mütter, der Gesellschaft und auch der Wirtschaft. Camenzind zeigt sich erstaunt, dass die Schwyzer Kantonsregierung die Einführung eines bezahlten Vaterschaftsurlaubs partout ablehnt und sich sowohl gegen die Volksinitiative für 4 Wochen Vaterschaftsurlaub als auch gegen die parlamentarische Initiative für 2 Wochen Vaterschaftsurlaub stellt. Er will vom Regierungsrat wissen, welche Vaterschaftsurlaub seiner Meinung nach den "betrieblichen Möglichkeiten" der Schwyzer Verwaltungsorganisationen (Kanton, Bezirk, Gemeinden) entspräche.

Kanton Bern: Die Motion "Elternzeit jetzt! Für eine politische Entwicklung im Kanton Bern" der SP-Fraktion will den Regierungsrat beauftragen, auf kantonaler Ebene eine Elternzeit einzuführen. Dabei soll er sich am Modell der Eidgenössischen Koordinationskommission für Familienfragen (EKFF) orientieren. Die EKKF empfiehlt für die Schweiz − zusätzlich zu den heute bereits bestehenden 14 Wochen Mutterschaftsurlaub − 24 Wochen bezahlte Elternzeit einzuführen. Dabei bleiben die 14 Wochen Mutterschaft exklusiv für die Mutter reserviert. Weitere 8 Wochen kann nur der Vater beziehen. Die verbleibenden 16 Wochen können die Eltern frei unter sich aufteilen. Die Schweiz ist in Sachen Elternzeit europaweites Schlusslicht und steht auch im Vergleich mit vielen aussereuropäischen OECD-Ländern schlecht da.

Kanton Luzern: SP-Kantonsrat Urban Sager möchte mit der Motion "Einführung eines bezahlten Vaterschaftsurlaubs von zwei Wochen" bewirken, dass Kantonsangestellte nach der Geburt ihres Kindes 10 Arbeitstage Vaterschaftsurlaub erhalten, die innerhalb von 12 Wochen nach der Geburt bezogen werden müssten. Heute stehen Vätern beim Kanton Luzern nach der Geburt ihres Kindes gemäss Personalverordnung fünf Tage Vaterschaftsurlaub zu. Kantonsrat Sager begründet seine Forderung damit, dass fünf Tage für den Beziehungsaufbau in der wichtigen Zeit nach der Geburt zwischen Vater und Kind sowie auch zur Unterstützung der Mutter ein zu kurzer Zeitraum ist. Die Antwort des Regierungsrats ist noch ausstehend.

Heil- und sonderpädagogische Förderung

Kanton St. Gallen: Der Interpellation "Kindertagesstätten (KITA) für Kinder im Vorschulbereich für alle ermöglichen" liegt das Anliegen zugrunde, den Zugang zu Kitas für behinderte Kinder im Vorschulalter zu verbessern. Die Interpellanten sind der Ansicht, dass die notwendigen gesetzlichen und konzeptionellen Grundlagen vorhanden sind, um heilpädagogische Massnahmen im Frühbereich in institutionellen Betreuungsangeboten besser zu unterstützen. Im Rahmen von Leistungsvereinbarungen können finanzielle Beiträge an Betreuungseinrichtungen gesprochen werden; so kann der Mehraufwand abgegolten werden. Die Interpellanten wollen von der Regierung vor allem wissen, ob sie bereit ist, Massnahmen der heilpädagogischen Frühförderung zu unterstützen, entsprechende Leistungsvereinbarungen abzuschliessen und die Finanzierungslücke für die Betreuung von kleinen Kindern mit Mehrfachbehinderungen zu schliessen.

Kanton Aargau: Mit der überparteilich eingereichten Motion Bericht mit Massnahmenplan zur frühkindlichen Unterstützung bei Entwicklungsstörungen verlangen Aargauer Grossrätinnen und Grossräte vom Regierungsrat einen Bericht mit Massnahmenplan und einen Umsetzungsvorschlag zur frühkindlichen Intensivbetreuung bei einer Autismus-Spektrum-Störung im Spezifischen sowie zur frühkindlichen Unterstützung bei Entwicklungsstörungen im Allgemeinen. Die Motionärinnen und Motionäre verweisen darauf, dass zahlreiche wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit der intensiven Frühintervention bestätigen: Adäquate und intensive Betreuung im Frühbereich führt bei schweren Entwicklungsstörungen zu sehr guten Resultaten und langfristig auch zu Kosteneinsparungen.

Frühe Sprachförderung

Kanton Aargau: Die CVP-Fraktion im Aargauer Kantonsrat möchte mit einem Postulat erreichen, dass Kinder im Vorschulalter, die nicht über genügend Deutschkenntnisse verfügen, obligatorisch an einem Angebot der frühen Sprachförderung teilnehmen. Konkret soll der Kanton die gesetzlichen Vorgaben schaffen, um Gemeinden zu verpflichten, ein entsprechendes Förderangebot vorzusehen. Die kantonal zuständigen Stellen wiederum sollen die Gemeinden dabei unterstützen, ein entsprechendes Angebot umzusetzen. Der Regierungsrat begrüsst die Stossrichtung des Vorstosses, will aber aufgrund der Erfahrungen anderer Kantone weitere Vorabklärungen betreffend die Finanzierbarkeit und Realisierbarkeit eines solchen Angebots machen, bevor über die Umsetzung entschieden wird.

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